Das 1888 gegründete Hüttenwerk Forges de Thy-Marcinelle (TM) erzeugte 1964 in Marcinelle bei Charleroi 565.000 t Rohstahl damit war das Werk das zweitkleinste integrierte Hüttenwerk Belgiens.
Auffällig ist die extrem kompakte Anordnung der Werksanlagen auf einer nur 0,4 km² großen Fläche zwischen der Hauptbahnstrecke Charleroi-Brüssel und dem Fluss Sambre.
Große Teile der Werksanlagen sind heute verschwunden oder befinden sich im Abriss daher habe ich div. Archive besucht um zumindest eine Karte der Werksanlagen Stand 1964 anzufertigen.
1960 wurde bei TM durch den Bau einer Sinteranlage nördlich der Sambre die Erzversorgung der Hochöfen weitgehend auf Sinter umgestellt. Dadurch konnten die Gestehungskosten des Roheisens vor allem durch einen niedrigeren Koksverbrauch deutlich gesenkt werden. Eine zweite Großinvestition in dieser Zeit war der komplette
Neubau des Hochofens 4 durch die DEMAG zwischen 1961 und 1963. Er galt bei seiner Inbetriebnahme als modernster und leistungsfähigster Hochofen im Becken von Charleroi, hatte einen Gestelldurchmesser von 7,75 m und wurde im Gegensatz zu den Öfen 1-3 ,die noch mit Setzkübeln und Senkrechtaufzügen arbeiteten, über einen Schrägaufzug mit Kippkübeln beschickt.
Die Hochöfen 2 u. 3 waren 1960 und 1958 neu zugestellt und auf einen Durchmesser von 5,00 m erweitert worden.
Zwischen der Hochofenanlage und dem Stahlwerk betrieb TM eine Kokerei mit zwei Batterien und 64 Koksöfen. Mit einem Kammervolumen von 10-14 t produzierte die Anlage circa 240.000 t/J.
Das Thomas-Stahlwerk arbeitete mit vier 30 t Konvertern und Sauerstoffanreicherung.
Die Walzwerke waren geschlossen in einem Komplex zwischen Stahlwerk und Rue de Marchienne untergebracht. Bis auf die 850er Halbzeugstrasse und die Stabstahlstrasse (N°3) stammten die Anlagen noch aus der Vorkriegszeit.
Ganz im Osten des Werksgeländes gab es noch eine Eisengießerei mit zwei Kupolöfen u.a. zur Herstellung von Kokillen.
Mit dem 1947 von der Societé Intercommunale Belge d’Electricité in Monceau erbauten 118 MW Kraftwerk wurde das Werk 1964 durch eine vier Kilometer lange Gichtgasleitung verbunden.
1966 kam es zur Fusion mit dem 3 km stromaufwärts liegenden Hüttenwerk Aciéries et Minières de la Sambre. Der neue Konzern hieß nun für die kommenden 13 Jahre Thy Marcinelle et Monceau (TMM).
Die Roheisenproduktion wurde nun schrittweise auf wenige Hochöfen konzentriert.
In Marcinelle produzierten die Öfen 2 und 4 Thomasroheisen die Öfen 1 und 3 standen in Reserve. In Monceau erzeugte der Hochofen 6 weiter Eisen für das dortige Thomasstahlwerk und der Ofen 7 wurde neu zugestellt und auf die Produktion von Spezialroheisen umgestellt. Der Ofen 5 in Monceau stand fortan nur noch in Reserve.
Da in Monceau nun nur noch der Hochofen 6 Thomasroheisen produzierte wurde ein Flüssigeisentransport von Marcinelle mit 150 t Torpedopfannen und offenen 50/70 t Pfannen über das Netz der belgischen Staatsbahn (eine Werksbahnverbindung gab es nicht) eingerichtet.
Der Hochofen 4 wurde 1969 auf 8,00 m Gestelldurchmesser erweitert und 1970 mit zwei neuen Cowpern ausgerüstet.
Im Oktober 1971 nahm TMM nördlich der Sambre in Dampremy eine kontinuierliche Stabstahlstrasse, das Walzwerk 3 (oder auch 300), in Betrieb. Die Fertigstrassen in Marcinelle liefen fortan unter den Bezeichnungen 1A, 1B und 2.
1974 wurde die Gießerei stillgelegt und auf dem Gelände das neue OBM-Stahlwerk errichtet.
1976 wurde der Hochofen 4 in Marcinelle auf 9,00 m Gestelldurchmesser erweitert und das neue Stahlwerk mit drei 150 t OBM-Konvertern sowie die 6-adrige Stranggussanlage für Knüppel für in Betrieb genommen. Damit war der Produktionsstandort in Monceau obsolet geworden und es kam noch im gleichen Jahr zur Stilllegung praktisch aller Anlagen bis auf die Strasse 4 die noch bis 1980 Bandstähle produzierte. Das Thomasstahlwerk in Marcinelle wurde nun ebenfalls nicht mehr benötigt und im gleichen Jahr geschlossen.
In 1977 wurde das neue Walzwerk 3 durch eine Drahtstrasse ergänzt und im November des Jahres wurde ein zweites Sinterband in Betrieb genommen (DL2).
Die Walzwerke in Marcinelle mussten zwischen 1975 und 1980 ihre Produktion einstellen. In 1978 wurde die Kokerei stillgelegt.
1979 fusionierte TMM mit dem Nachbarn Forges de la Providence und 1980 mit Hainaut-Sambre.
1981 wurde diese Gruppe durch Cockerill aus Lüttich übernommen und firmierte fortan unter dem Namen Cockerill-Sambre (CS).
1983 Inbetriebnahme einer neuen Brammenstranggussanlage (CC2) im OBM-Stahlwerk Marcinelle.
1989 verkaufte Cockerill-Sambre das Walzwerk 300 in Dampremy an die italienische Riva-Gruppe.
Mitte der 1990er Jahre investierte CS noch einmal in erheblichem Umfang in das OBM-Stahlwerk in Marcinelle und den Hochofen 4. 1994 wurde dieser neu zugestellt und auf einen Gestelldurchmesser von 9,75 m vergrößert. Im OBM Stahlwerk wurde ein Pfannenofen und die neue Brammenstranggussanlage (CC3) installiert.
Im März 1996 wurde dann ein neues Elektrostahlwerk mit einem 140 t Gleichstromlichtbogenofen in Betrieb genommen. Das neue Stahlwerk hatte eine Kapazität von 0,7 Mio. t Rohstahl im Jahr. Im gleichen Jahr legte man die Knüppelstrangussanlage (CC1) und eine Sinteranlage (DL1) still.
Im Oktober 1998 wurde Cockerill-Sambre von dem französischen Konkurrenten USINOR übernommen und in 2001 Teil des größten Stahlkonzerns weltweit; ARCELOR.
Die Flüssigphase in Charleroi ging im gleichen Jahr an die neu gegründete Carsid mit dem Ziel Brammen für die DUFERCO-Werke in Clabecq und La Louviere sowie die Warmbandstrasse von CS in Chatelet (Carlam) zu liefern.
In 2003 wurde das neue Elektrostahlwerk in Marcinelle stillgelegt und nach Spanien verkauft.
2008 legte Carsid die gesamte Flüssigphase einschließlich Kokerei und Sinteranlage (DL2) still.
Folgenden Archiven möchte ich für ihre freundliche Unterstützung danken:
Archives de l’État à Mons
Archives Le Bois du Cazier
Archives Ville de Charleroi
SMS Group Unternehmensarchiv