Borsig

Mittelbandstrasse

Während im Bergbausektor inzwischen an viele, selbst kleinere, Schachtanlagen mit eigenen Monografien erinnert wird verschwinden ganze Stahlstandorte schon wenige Jahre nach ihrer Schließung im Nebel des Vergessens.
Ein typisches Beispiel sind die Borsigwerke in Berlin-Tegel die heute den meisten bestenfalls noch als Maschinenbauunternehmen in Erinnerung sind.
In den 1950er Jahren unterhielt die Borsig AG hier noch Siemens-Martin Öfen, Walz- und Schmiedewerke, ein Röhrenwerk und eine Graugiesserei.
1968 begann in Tegel der Abschied von der Stahlsparte, Borsig verkaufte seine 1954 gebaute Mittelbandstrasse (400 mm, Kapazität 288.000 t/j) an die August Thyssen Hütte, dort lief sie fortan unter dem Namen Thyssen Bandstahl Berlin GmbH.
Das Vormaterial, Brammen, kam aus Duisburg. Später wurden auch Lohnwalzungen für das Eisenhüttenkombinat Ost in der DDR durchgeführt.
1992 legte die Thyssen Stahl AG ihr Werk in Berlin still.
Bei der Stahlerzeugung ging Borsig 1970 eine Kooperation mit dem Betonstahlhersteller Walzwerke Becker aus Euskirchen ein. Gemeinsam baute man ein Elektrostahlwerk (30 t Lichtbogenofen, 100.000 t/j) und eine Strangussanlage für Knüppel im wesentlichen zur Versorgung der 14-gerüstigen Stabstahlstrasse in Euskirchen.
Alle Anlagen wurden von der DEMAG in Duisburg geliefert.
Offenbar hat die Walzwerk Becker KG (Wabec) das Stahlwerk dann ab 1981 in Eigenregie weitergeführt.
1984 lieferte die Mannesmann-DEMAG AG einen neuen Lichtbogenofen mit konzentrischem Bodenabstich (50 t). Der Standort lief jetzt unter den Namen Berliner Stahlwerk KG Gerd Becker und Walzwerk Becker-Berlin Strangguss KG.
1988 wurden diese Firmen insolvent und der türkische Staatskonzern Metek Teknik aus Izmir übernahm das Werk. Trotz anders lautender Versprechungen blieben Investitionen aus und 1992 wurde die Stahlproduktion in Berlin durch Metek endgültig beendet.

In der aktuellen Ausstellung “Wir sind von hier. Türkisch-deutsches Leben 1990“ mit  Fotografien von Ergun Çağatay auf der Zeche Zollverein sind drei  Bilder aus dem Stahlwerk Berlin zu sehen. Ansonsten ist die Quellenlage zum Stahlstandort Berlin-Tegel sehr überschaubar.

Das KST-Desaster

KS-Konverter

Versuche ihre binnenländischen Hüttenwerke (Haspe, Georgsmarienhütte, und später auch die Maxhütte) vom teuren Hochofenbetrieb unabhängig zu machen und gleichzeitig eine Alternative zu der energieintensiven Stahlerzeugung im Siemens-Martinofen zu finden gab es bei der Klöckner-Werke AG schon Mitte der 1960er Jahre.
Im SM-Stahlwerk der Hasper Hütte wurde 1965 ein 60 t Versuchsofen mit Öl/O²-Brenner (zunächst über dann unter der Schmelze positioniert) in Betrieb genommen.
Nach der Stilllegung der Metallurgie in Haspe gingen die Versuche in Georgsmarienhütte weiter.
Dort wurde 1973 in einem mit seitlichen  Öl/O²-Brennern ausgestattetem Ofen Schrott geschmolzen und direkt einem 20 t Elektrolichtbogenofen zur Stahlerzeugung zugeführt.
Dieses Verfahren wurde Klöckner-Stahlerzeugung-Elektrolichtbogenofen (KSE) genannt.
Die Versuche waren äußerst viel versprechend mit der 2. Ölkriese wurden 1979 Öl und Erdgas aber so teuer, daß man sich nach einem neuen Verfahren umschauen mußte.
Gegen den Widerstand der GMH-Werksleitung, die einen Elektrolichtbogenofen präferierte, wurde durch die Duisburger Konzernzentrale mit dem Technikvorstand Ludwig v. Bogdandy ein bis dahin (bis auf wenige Vorversuche in der Maxhütte) völlig unbekanntes Verfahren realisiert, das Klöckner-Stahl-Tiegel-Stahlwerk (KST).
Dort sollte möglichst ohne Flüssigeinsatz aus Schrott durch einblasen von billiger Feinkohle (oder Feinkoks), Sauerstoff und Erdgas durch den Boden eines 125 t Konverters Stahl erzeugt werden.
Die 170 Mio. DM Investition ging im November 1981 in Betrieb.

Im ersten Betriebsjahr kam es gleich zu massiven Störungen, so dass die riesige Anlage nur zu 65 % ausgelastet werden konnte. Ein Betrieb ohne Flüssigroheisen vom Hochofen 3 erwies sich daher als unmöglich.
1983, bei sinkenden Schrottpreisen, kam es zu einem zweiten Versuch den neuen Konverter nur mit Feststoffen zu beschicken. Der Betrieb wurde auf das Partielle-Schmelzen-Rückführungsverfahren (PSR) umgestellt.
Dabei wurde in zwei Schritten synthetisches Roheisen im Konverter erzeugt, entnommen, zwischengelagert und der nächsten Schmelze wieder zugeführt.
Nun glaubte man eine dauerhafte Lösung für das KST-Stahlwerk gefunden zu haben. Der Hochofen 3 wurde am 27.4.1983 ausgeblasen und sollte auf Wunsch der Konzernleitung sofort abgerissen werden was aber nicht geschah.
Steigende Schrottpreise und die hohen Betriebskosten des komplizierten Verfahrens führten schon 1984 zu einer Rückkehr zum Flüssigeinsatz im Konverter, der Hochofen wurde wieder angeblasen.
Dabei blieb es bis zur Inbetriebnahme des neuen Gleichstrom-Lichtbogenofens in 1994. KS-Stahlwerk und Hochofen 3 wurden endgültig stillgelegt und abgerissen.

Das KST-Verfahren hat den Stahlstandort Georgsmarienhütte an den Rand des Abgrunds geführt, zeigt aber auch wie innovativ und risikofreudig ein Teil der deutschen Stahlindustrie auf die große Krise der 1970er Jahre reagierte.

Die Hüstener Gewerkschaft

In die Abteilung vergessener Hüttenwerke gehört das Werk in Hüsten (heute zu Arnsberg) direkt an der Ruhr.
Das Hochofenwerk wurde 1908/9 erbaut und schon 1927 wieder stillgelegt und abgerissen.
Zur Hütte gehörte auch ein Siemens-Martin Stahlwerk mit vier Öfen (3x 15 t, 1 x 30 t),  und eine Kokerei.
In den 1930er Jahren wurde in Hüsten noch ein Warmbandwalzwerk gebaut.
Diese Anlage kam nach dem 2 . Weltkrieg dann zur Hüttenwerke Siegerland AG und wurde 1966, nach der Übernahme durch die Hoesch AG, stillgelegt.
Das Hüttenwerksgelände wird heute durch ein Gewerbegebiet neu genutzt.

Vallourec legt Ehrhardt-Presse in Reisholz still.

Ehrhardtpresse

Die, in diesen Dimensionen, weltweit einzigartige Presse arbeitet nicht mehr. Am Freitag wurde in Düsseldorf-Reisholz das letzte Nahtlosrohr produziert. Der 1899 gegründete Standort wird stillgelegt.
Der Absatzmarkt für das von Heinrich Ehrhardt erfundene Verfahren war in den letzten Jahren stetig kleiner geworden.
Rohlinge bis zu 28 t Gewicht konnten auf der Presse zu Nahtlosrohren bis 1500 mm Aussendurchmesser gepresst werden. Einsatzort der Rohre waren vor allem der Kraftwerks- und Chemieanlagenbau. 300 Mitarbeiter scheiden entweder über einen Sozialplan aus oder werden an den anderen Vallourecstandorten weiterbeschäftigt.

Tieföfen

ESW in Eschweiler closed down.

Yesterday the last seamless tubes were rolled at ESW in Eschweiler. This marks the end of the history of the former EBV-Hüttenbetriebe, the now largely forgotten steel subsidiary of Eschweiler Bergwerksverein.

Piercing stand

The plant in Eschweiler, Germany was founded in 1914 by the Eschweiler-Ratinger Maschinenbauaktiengesellschaft (ERMAG). In 1917 an open hearth shop was added to ensure the steel supply.
In 1924 the plant was taken over by the Eschweiler Bergwerksverein, a mining company mostly owned by ARBED from Luxemburg.
Pig iron was now supplied by the nearby EBV blast furnaces (Concordiahütte). In 1957 a new 30 t electric arc melt shop was built on ground of the now dismantled blast furnace site which had been closed down in 1941.
Two pilger rolling mills were commissioned in 1953 and 1961.
Since, due to the unfavourable transport situation, it did not make sense to produce mass-produced steels in competition with the Ruhr area, EBV-Hüttenbetriebe now specialised in the production of high-quality steels.
In 1965 a continuous caster and a second EAF where added. A new innovative planetary tube rolling mill (PSW) gradually replaced the outdated pilger rolling mills in 1976.
In 1984 the site was sold to the Maxhütte steel company from Bavaria.The EAF melt shop was closed in 1986 and one year later the Maxhütte went bancrupt. In order to save the new tube rolling mill the former plant manager, among others, took the mill over in 1987.

ESW-Röhrenwerke produced seamless steel tubes for the oil and gas industry,  boilers and engineering.
The last owner, Danieli from Italy, took over in 2016.
Further images.